Corona macht vor allem einsam
Lebensmittelausgabe, Mittagessen und Kleiderladen – all das organisieren Tafeln der Region
Eher ruhig geht es an diesem Vormittag in der Oscherslebener Tafel zu. Nur wenig Menschen haben an diesem Tag den Weg hierher gefunden. „Sie trauen sich nicht raus“, sagt Mandy Oelke. Die Leiterin Soziale Arbeit im DRK-Kreisverband Börde führt gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Ralf Kürbis Gäste durch das Haus. Auch durch die Kleiderkammer, die gut gefüllt ist. Geöffnet hat diese montags bis bis mittwochs jeweils von 9.30 bis 12 Uhr. Hier gilt die 3G-Regel.
Joseph Wachtel und Vesna Koch vom Saatzuchtunternehmen aus Söllingen und Schlanstedt sind nach Oschersleben gekommen, nicht mit leeren Händen. Mit einem Scheck in Höhe von 1500 Euro wollen sie die Arbeit der Tafel unterstützen. „Wir haben uns schon vor längerer Zeit von den Weihnachtsgeschenken für unsere Kunden verabschiedet. Mit dem Geld unterstützen wir lieber soziale Projekte. In diesem Jahr sind es die Tafeln in Oschersleben und Helmstedt“, erzählt Joseph Wachtel. Mandy Oelke und auch Sozialarbeiter Sebastian Penke müssen nicht lange überlegen, wenn es um die Verwendung dieser Summe geht: Küchengeräte, aber auch Küchenmöbel sind in die Jahre gekommen und müssen ersetzt werden.
Im Gespräch mit den Vertretern des DRK erfahren Verena Koch und Joseph Wachtel, dass nicht wesentlich mehr Menschen seit Ausbruch der Pandemie Unterstützung brauchen. Insgesamt sind in der Oschersleber Tafel 287 Erwachsene und 17 Kinder (bis 16 Jahre) registriert, die regelmäßig die Angebote der Tafel in Anspruch nehmen müssen.
Die Ausgabe der Lebensmittel ist in den vergangenen beinahe zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie neu organisiert worden. So nehmen die Menschen Lebensmittelbeutel durch ein Fenster entgegen. Die Räumlichkeiten dürfen nicht betreten werden.
Um die Lebensmittelbeutel füllen zu können, stehe ausreichend Spenden zur Verfügung. „Mal kommen die Lebensmittelspenden aus den Discountern reichlicher, mal sind es weniger. Die Menschen, die die Tafel besuchen, haben keinen Anspruch auf reichhaltig gepackte Lebensmittelbeutel. Es wird das gepackt, was im Lager liegt und zur Verfügung steht“, berichtet DRK-Sprecherin Andrea Diegelmann
Beim Packen der Beutel werde darauf geachtet, dass die Beutel immer familien- und besucherspezifisch gepackt werden. Das heißt: Familien mit vielen Kindern erhalten mehr Lebensmittel als beispielsweise ein Alleinstehender. Weiterhin wird darauf geachtet, dass beispielweise muslimische Familien kein Schweinefleisch in ihren Lebensmittelbeuteln finden.
Die Ausgabe der Lebensmittelbeutel erfolgt für Berufstätige und Schwerbehinderte montags von 13.30 bis 15.30 Uhr sowie mittwochs und freitags von 12.30 bis 14 Uhr.
Gern können auch private Lebensmittelspenden in der Tafel abgegeben werden. Voraussetzung ist, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum ersichtlich ist.
Während die Besucher die Tafel besichtigen, zieht der Duft nach einem leckeren Mittagessen durch das Haus. Maria Bock und Katrin Nestler stehen heute am Herd. Sie braten Schnitzel, haben eine Pilzsoße zubereitet. Beide Frauen sind schon lange ehrenamtliche Helfer. Maria Bock schon seit 2007. Vor der Pandemie kamen die Menschen in das Haus, nahmen das Essen gemeinsam ein.
Unter Pandemie-Bedingungen wird die warme Mittagsmahlzeit in Assietten gefüllt und ebenfalls durch ein Fenster ausgegeben. Oder zu den Menschen nach Haus gebracht. „Wir treffen viele Menschen zu Hause allein an. Corona macht schon sehr einsam“, weiß Sebastian Penke aus Erfahrung.
Etliche Ideen, die Menschen wieder mehr zusammenzubringen, können nicht umgesetzt werden, hängen in der Warteschleife. So waren Kaffeenachmittag geplant oder ein Kleiderbasar vor dem Gebäude. Insgesamt 18 freiwillige Helfer und drei Beschäftigte über sogenannte AGH-Maßnahmen sorgen dafür, dass die Unterstützung für die Menschen funktioniert.
Im Gebäude der Oscherslebener Tafel befindet sich auch die Obdachlosenunterkunft. Über Kooperationsverträge können auch die Gemeinden Sülzetal und Obere Aller Obdachlose unterbringen lassen. „Die Gestrandeten nutzen unsere Netzwerke. In vielen Fällen können wir ihnen schnell eine Wohnung und weitere Unterstützung organisieren“, erzählt Mandy Oelke.
In Wanzleben im Sozialen Zentrum „Alter Bahnhof“, eine Einrichtung des DRK Wanzleben, herrscht am Freitagnachmittag sozusagen Ruhe vor dem Sturm. Um 12.30 Uhr beginnt die Ausgabe der Lebensmittelkisten. Diese wurden an diesem Tag von Bärbel Trenn, Kerstin Kosmehl und Carla Erxleben unter gleichen Gesichtspunkten wie in Oschersleben gepackt. Unterdessen waren Fahrer Frank Borchert und Veit Vatterodt in den Discountern unterwegs, haben Lebensmittelspenden abgeholt. Nach der Lebensmittelausgabe sortieren die Frauen noch alles, bringen es in die Kühlung. Damit sind sie für die Ausgabe am Dienstag wieder gerüstet. Die Ausgabe der Lebensmittel erfolgt dienstags, donnerstags und freitags.
Im Vorbereitungsraum der Einrichtung gibt es zahlreiche Kühl- und Tiefkühlschränke. Diese sind gut gefüllt. Aktuell ist besonders viel Milch da. „Der Jahreszeit geschuldet ist wohl die Tatsache, dass nicht so viel frisches Obst und Gemüse wie zu anderen Jahreszeiten da ist“, sagt Barbara Schürmann.
Auch in Wanzleben erfolgt die Ausgabe der Lebensmittel über die Fenster.
Das soziale Zentrum ist seit geraumer Zeit ein zertifiziertes Testzentrum, auch geimpft wird hier. „So halten wir uns über Wasser. Wir haben weniger Umsatz, aber zusätzliche Einnahmen durch das Testen“, erklärt Barbara Schürmann.
Das soziale Zentrum „Alter Bahnhof“ Wanzleben arbeitet mit zwei Festangestellten (Leiterin und Tafelfahrer), fünf Ein-Euro-Jobbern und 18 Ehrenamtlichen. Sie alle leisten ihren Beitrag, damit 1000 Bedarfsgemeinschaften vom Sülzetal über Wanzleben bis in die Obere Aller betreut werden können. „Das sind natürlich weite Wege. Deshalb gibt es die mobile Tafel. Alle 14 Tage werden die angemeldeten Lebensmittel an die Familien oder Einzelpersonen geliefert“, berichtet die Leiterin. Die Suppenküche gibt es in dieser Wanzleber Einrichtung im Übrigen nicht mehr.
Während die drei Frauen an diesem Freitagvormittag die Lebensmittelausgabe vorbereiten, hat Ilona Wackernagel Dienst im Kleiderladen. Sie berät Nasrin bei Auswahl von Kinderbekleidung für ihre vier Kinder.
Der Kleiderladen ist dienstags und donnerstags von 10 bis 14 Uhr sowie mittwochs und freitags von 10 bis 12 Uhr geöffnet.
Volksstimme, 31.01.2022 (Yvonne Heyer)