Grab des Vaters in Estland entdeckt
Die letzten Stationen im Leben ihres Vaters hat Hannelore Eitel aus Seehausen ermittelt. Dazu wandte sie sich an den Suchdienst des DRK.
Erinnern kann sich Hannelore Eitel an ihren Vater nicht. Was sie über ihn weiß, haben ihr die Mutter und die Großeltern erzählt. In einem Ordner bewahrt sie alle Dokumente, wie seinen alten Führerschein, Fotos und Postkarten, auf. Papiere, die über sein Leben und seinen Tod Auskunft geben.
Die Seehäuserin war drei Jahre alt, als die eidesstattliche Erklärung der Mutter zugestellt wurde mit dem Vermerk: „Ihr Angehöriger Walter Buchheister, geboren am 14. Februar 1911 in Seehausen, ist am 9. November 1947 verstorben. Todesort: Kriegsgefangenen-Hospital 4011 Kievöli/Estland. Grablage unbekannt“. Erst knapp ein Jahr nach dem Tod des 26-Jährigen erhielt die Familie Buchheister Bescheid über sein Ableben. Im Brief eines Ehrich Meyer an die Familie heißt es über den Verstorbenen: „... starb... um 6.15 Uhr ohne Besinnung. Ich kann die Uhrzeit deshalb so genau angeben, da ich dort Stubensanitäter war und bei dem Kameraden Buchheister gerade das Fieber messen wollte. Die Leiche wurde dann zur Beerdigung abtransportiert.“ Hannelore Eitel meint sich zu erinnern: „Meine Mutter hatte die Vorhänge zugezogen und geweint.“ Aber vielleicht sei auch nur so viel darüber gesprochen und getrauert worden, dass sie die Erinnerung nachträglich in ihr Gedächtnis eingebaut habe.
„...Inge ist unverändert geblieben, während Hannelore ebenso aussieht wie Gerda, als sie klein war“, beantwortete Walter Buchheister einen Brief mit Familienfoto, den ihm seine Frau in das Gefangenenlager geschickt hatte. Inge und Gerda waren die älteren Schwestern der heute 78-jährigen Hannelore. Auch, ob es in diesem Sommer 1947 eine gute Ernte gab, wollte er wissen. Weiter heißt es in der Postkarte: „Hoffentlich sehen wir uns bald für immer wieder. Herzliche Grüße an Oma und Opa. Seid nochmals herzlich gegrüßt von eurem Papa!“ Diese Zeilen schrieb Walter Buchheister noch am 20. Oktober 1947, knapp drei Wochen vor seinem Tod.
Obwohl klar war, dass der Vater in Kriegsgefangenschaft in Kievöli in Estland auf ehemals russischem Gebiet gestorben war, blieb Hannelore Eitel neugierig. Sie wollte mehr über die letzten Stationen im Leben ihres Vaters erfahren, etwa, ob es irgendwo eine Ruhestätte für ihn gibt. „Man will doch etwas über den eigenen Vater wissen, besonders, wenn man ihn nicht kennenlernen durfte“, sagt sie.
Also wandte sich die Seehäuserin an die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt). Von dort erhielt sie die Mitteilung, dass die Personalpapiere von Walter Buchheister, wie der Wehrpass, vermutlich durch Kriegseinwirkung verloren gegangen seien. In Erfahrung bringen konnte die Dienststelle noch die Erkennungsmarke (3. Batterie Flak Ersatzabteilung 7) und die letzten Meldungen vom Juni 1941 vom Standort Magdeburg und vom Oktober 1944 aus der 3. Batterie schwere Heeres Flak Artillerie Ersatz- und Ausbildungsabteilung 279, Standort Gotha.
2011 wandte sich die Nichte von Hannelore Eitel für weitere Informationen über ihren Großvater an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes. Aus den Recherchen des Suchdienstes geht hervor, dass Walter Ernst Buchheister am 13. März 1945 in russische Kriegsgefangenenschaft genommen wurde, registriert im Lager 289.
Dieses Lager habe sich im heutigen Kothla-Järve in Estland befunden. Zudem konnte das DRK herausfinden, dass der 26-jährige Seehäuser an einer Gehirnembolie verstorben war und auf dem Lagerfriedhof in Kivioli bestattet wurde. „Nach einer vorsorglichen Überprüfung der Gräberlisten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge konnten wir für Herrn Ernst Buchheister einen Eintrag feststellen“, heißt es im Schreiben des DRK. Auch Fotos von der Grabstätte ihres Vaters und Großvaters erreichten so Hannelore Eitel und ihre Nichte. Der Brief des Suchdienstes schließt taktvoll: „Es war uns wichtig, Sie über die letzten Stationen Ihres Angehörigen zu informieren, auch wenn dadurch nochmals alte Wunden aufgerissen wurden.“
Hannelore Eitel möchte auch andere Angehörige ermutigen, sich entweder an den Suchdienst des DRK oder an die WASt, heute im Bundesarchiv verankert, zu wenden und nachzuforschen. Schließlich wüssten viele bis heute so gut wie nichts über Väter und Großväter, die nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurück gekehrt sind, so die 78-Jährige.
Bis heute gehen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes jährlich Tausende Suchanfragen ein, etwa 10 000 allein im vergangenen Jahr. Ehefrauen, Kinder und Enkelkinder möchten weiterhin die Lebenswege vermisster Verwandter aus dem Zweiten Weltkrieg nachvollziehen. Nachdem der Suchdienst des DRK eigentlich im Jahr 2023 eingestellt werden sollte, wurde er nun bis 2025 verlängert. Die bis Ende 2018 als Behörde des Landes Berlin geführte Deutsche Dienststelle (WASt) setzt ihre Tätigkeit als Abteilung Personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Weltkrieg im Bundesarchiv fort.
Volksstimme, 19.11.2020 (Josephine Schlüer)