Tafel: Es werden mehr Bedürftige
Einrichtung des DRK-Kreisverbandes Wanzleben steht vor weiteren Herausforderungen
Seit Jahresbeginn ist bei der Tafel des DRK-Kreisverbandes Wanzleben ein Anstieg der Bedürftigen verzeichnet worden. „Die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, ist um zehn Prozent im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen“, sagt die Leiterin Barbara Schürmann. „Das wird noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.“
Dabei sind die inzwischen schon 84 gemeldeten Flüchtlinge aus der Ukraine in den Zahlen noch nicht einmal eingerechnet, „Wir kommen mit dem zusätzlichen Aufwand noch ganz gut klar“, versichert die Leiterin gegenüber der Volksstimme. Das hat auch damit zu tun, dass sich der DRK-Kreisverband schon beizeiten auf die Herausforderungen nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine eingestellt hat. „Uns war gleich klar, dass da ganz neue Herausforderungen auf uns zu kommen“, erzählt Barbara Schürmann.
Tätig sind für den DRK-Kreisverband 20 Mitarbeiter im Sozialen Zentrum, oft als Ehrenamtler. Auf Ein-Euro-Basis werden seit dem 1.Juli drei Mitarbeiter beschäftigt, aber auch nur befristet. „Wir leben von den Freiwilligen, die uns oft schon lange Jahre unterstützen“, bringt die Leiterin vor. Diese müssen sich allein bei der Tafelausgabe oder um über 500 Bedarfsgemeinschaften kümmern. Das können ein bis sechs Personen sein. In etwa handelt es sich um 1400 Erwachsene plus Kinder.
Das ist eine Hausnummer und das DRK in Wanzleben rechnet mit weiteren Zugängen, denn langsam entfaltet die Energiekrise in Deutschland ihre Wirkung. „Wir rechnen schon jetzt damit, dass sich die Zahlen insbesondere bei Rentnern und Niedrigverdienern weiter erhöhen werden“, blickt die Leiterin voraus. Dazu kommen dann noch die gestiegenen Nebenkosten, die auch den alten Bahnhof nicht verschonen werden.
„Das wird dazu führen, dass wir sicherlich mehr Menschen hier versorgen müssen“, schätzt Schürmann. Niemand solle sich scheuen, den Weg zur Tafel zu gehen, auch wenn der Schritt Überwindung koste. „Wir beraten die Leute auch gern und erklären die einzelnen Schritte.“
Wie sieht es aber bei der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs aus? „Bei uns gibt es bislang keine Beschränkungen“, sagt die Leiterin. Das ist nicht überall in Sachsen-Anhalt so. In Salzwedel gab es Versorgungsengpässe (Volksstimme berichtete) und in Halle einen Aufnahmestopp aus ähnlichen Gründen. Davon weis der Vorsitzende des Tafelverbands Sachsen-Anhalt, Andreas Steppuhn zu berichten. „Auch Zerbst hat temporäre Aufnahmestopps erlebt und in Dessau waren eine Woche lang einfach nicht genug ehrenamtliche Helfer da“, sagt er. Durch die vielen Kriegsflüchtlinge, die im Land Aufnahme fanden und die steigende Inflation hat sich das Angebot der Tafeln an einigen Stellen verknappt.
„Das hat schon während der Corona-Pandemie begonnen“, berichtet der Landesvorsitzende. Dem wurde inzwischen begegnet, denn in Hohenerxleben wurde ein zentrales Verteillager eingerichtet, in dem vornehmlich Großspenden angenommen werden, die dann verteilt werden.
Das Land Sachsen-Anhalt hat in diesem Jahr erstmals 30000 Euro zur Verfügung gestellt, die die Tafeln in Sachen Invest- und Mietkosten unterstützen sollen. Dennoch blicke der Tafelverband mit Sorge auf den kommenden Herbst und erst recht den Winter. „Die Inflation sorgt dafür, dass die Menschen weniger für ihr Geld bekommen, wobei die Tafel sicherlich kein Vollversorger ist“, so Steppuhn. Der Verband habe jedoch klare Forderungen an die Politik. So müssten Armutsbetroffene besser gestellt werden und ein Lebensmittelrettungsgesetz auf Bundeseben eingeführt werden. „Es kann nicht sein, dass potenzielle Großspender auch noch Mehrwertsteuer auf ihre Gaben bezahlen müssen“, betont Andreas Steppuhn. „Wir als Tafelverband sehen uns letztendlich auch als Lebensmittelretter.“
Auf die Flüchtlingsproblematik hat die Wanzleber Tafel schnell reagiert. So habe man sich mit anderen Institutionen und Ämtern abgesprochen und die besonderen Voraussetzungen abgefragt. Dazu gehören spezielle Meldebögen und Antragsformulare, aber auch die Wege, die die Flüchtlinge behördlich gehen müssen. Das zahlt sich aus, denn die Mitarbeiter können entsprechende Ratschläge geben. Besonders positiv macht sich der Einsatz von Lesia Shkilniak als Dolmetscherin bemerkbar. Diese wohnt schon länger in Deutschland und war mit ihrer geflüchteten Familie nach Wanzleben ins Soziale Zentrum gekommen, um hier die Möglichkeiten für ihre Angehörigen zu erkunden. Spontan hatte sie Barbara Schürmann ihre ehrenamtliche Hilfe zugesichert. Zweimal in der Woche steht sie nun als Dolmetscher zur Verfügung, so in der kommenden Woche wieder Dienstag und Donnerstag in der Zeit von 9 bis 13 Uhr.
„Das macht die Sache unkomplizierter“, sagt die Leiterin. „Ich hätte mir allerdings mehr finanzielle Unterstützung für die Tafeln gewünscht, damit solche Projekte für alle umgesetzt werden können.“ Für die Wanzleber ist die Dolmetscherin ein echter Gewinn.
Volksstimme, 03.08.2022 (Christian Besecke)