Übersetzen – und noch viel mehr
Ukrainerin sorgt ab sofort in Wanzleben für die Kommunikation im Sozialen Zentrum
Lesia Shkilniak nimmt hier die Ukrainer in Empfang. Künftig ist sie immer dienstags im Sozialen Zentrum „Alter Bahnhof“ in Wanzleben vor Ort und sorgt hier für die problemlose Verständigung.
Die 43-Jährige ist 2014 nach Deutschland gekommen und hat in Wanzleben ihren Mann geheiratet. Natürlich ist sie mit ihrer Tochter auch in die Sarrestadt gezogen. Inzwischen hat das Ehepaar noch einen Sohn bekommen und Lesia Shkilniak ist voll in das Leben der Kleinstadt integriert. „Ich finde es hier einfach toll“, sagt sie im Gespräch mit der Volksstimme. „Hier lebt man fern von der Hektik einer Großstadt. Das Leben ist hier schön.“ Das erzählt sie in einem perfekten Deutsch, denn auch die Sprache hat sie verinnerlicht.
„Wir haben viele Freunde hier, und gerade in der jetzigen Zeit ist das sehr gut“, schätzt sie ein. Mittlerweile hat sie nämlich ihre Eltern aus der Ukraine nach Deutschland geholt. Diese sind erst vor kurzem in Wanzleben angekommen und wohnen erst einmal bei dem Ehepaar und den Kindern. Die ganze Sache gestaltet sich im Augenblick noch etwas beengt, aber für die Familie ist die Aufnahme Ehrensache. Eine Besserung erhoffen sich Lesia Shkilniak und ihr Mann durch die Vermittlung von Wohnraum an die Eltern. Die ganze Sache gestaltet sich aber aufgrund von notwendigen Behördengängen und dem Ausfüllen von Antragsformularen derzeit noch etwas mühselig. Dabei ist Lesia Shkilniak aufgefallen, dass die Kommunikation mit den Flüchtlingen aus der Ukraine nicht perfekt ist.
Daher hat sie sich entschlossen, hier helfend einzugreifen. „Das ist einfach ein Grundbedürfnis für mich“, sagt sie. „Ich will helfen und als jemand, der hier schon acht Jahre heimisch ist, den Neuankömmlingen helfen.“ Aber auch die Behörden dürfen sich über das Engagement der 43-Jährigen freuen.
Jedenfalls ist das bei der Tafel in Wanzleben so. Hierher ist Lesia Shkilniak nämlich mit ihren Eltern gekommen, um die Möglichkeiten der Unterstützung zu erkunden. Und hier ist sie auch spontan in das Ehrenamt als Dolmetscherin eingestiegen. „Das war ein Glücksfall für uns“, sagt die Leiterin des Sozialen Zentrums, Barbara Schürmann. Sie ist einst als Koordinatorin für Flüchtlingshilfe nach Wanzleben zum DRK-Kreisverband gekommen und ist im Augenblick auch die absolut richtige Frau am richtigen Platz. „Wir verspüren seit Wochen einen Anstieg von hilfesuchenden Ukrainern bei der Tafel“, sagt sie. „Die Unterstützung von Lesia ist daher nicht hoch genug einzuschätzen.“
Den Beweis dafür tritt die Dolmetscherin auch während des Volksstimme-Vor-Ort-Termins an. Eine ukrainische Familie ist in der Kleiderkammer angekommen und wird direkt von Lesia in Empfang genommen. Im Nu entwickelt sich ein angeregtes Gespräch, und die Flüchtlinge fühlen sich gleich gut aufgenommen. Genau das ist es auch, was das DRK erreichen will.
Lesia Shkilniak selber macht ihr Engagement auch Freude, sie will sich aber noch viel stärker engagieren. „Ich möchte gern mit den Behörden sprechen und vielleicht eine Hilfesammlung mit organisieren, die das beinhaltet, was in der Ukraine auch wirklich von den Menschen gebraucht wird. Der Krieg in ihrem Vaterland nimmt sie genauso mit wie ihre Eltern.
„Ich informiere mich viel über das Internet über das aktuelle Geschehen“, erzählt sie. „Wenn ich den Fernseher anschalte, dann muss meine Mutter immer gleich weinen. Daher mache ich das so.“ Die Lage sei in der Tat schrecklich für die Menschen, und sie rechnet damit, dass noch viel mehr Ukrainer vertrieben werden. Lesia Shkilniak schaut sich aber auch die russischen Nachrichten an. Auch diese Sprache spricht sie perfekt. „Das ist alles Propaganda“, sagt sie. „Ich bekomme Angst, wenn ich höre, was dort über die Ukraine gesprochen wird.“
Sie sei sich sicher, dass die Ukrainer weiter für ihr Land kämpfen werden und dabei die Frauen und Kinder wie auch die Älteren in Sicherheit in der Europäischen Union wissen wollen. „Wir sind nicht anspruchsvoll“, schätzt sie ein. „Was für die Leute in Deutschland normal ist, ist in unseren Augen schon viel Luxus.“ Viele ihrer Landsleute hätten gelernt, mit wenig auszukommen. Wichtig sein ihnen der Respekt vor Älteren und vor allen Dingen den eigenen Eltern. Die große Hilfsbereitschaft der Deutschen werde sehr positiv aufgenommen.
Am Ende stehe für sie die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine als selbstständiges Land und dass die jungen Menschen dort leben können. „Die Jugend hat die westlichen Ideale für sich akzeptiert und will frei aufwachsen“, sagt sie. „Und gerade diese Jugend lernt sehr schnell.“
Volksstimme, 23.03.2022 (Christian Besecke)